Stahlherstellung im Mittelalter

Im Mittelalter wurde Stahl vorwiegend in Rennöfen gewonnen. Dafür schichtete man Eisenerz und Holzkohle abwechselnd in einem Rennofen auf. Diese Rennöfen wurden oft mit Blasebälgen belüftet und erreichten im Zentrum Temperaturen bis zu 1300°C. Hierbei verflüssigten sich die Verunreinigungen im Eisenerz und sammelten sich am Boden des Ofens, während das Eisenerz durch die Kohlenmonoxidgase der verbrennenden Kohle allmählich reduziert wurde. Dabei bildete sich Eisen und CO2.

Bei den hohen Temperaturen in einer reduzierenden Atmosphäre formte sich dabei aus den Erzbrocken ein Klumpen. Ähnlich wie beim heutigen Prozess des Sinterns, welches ebenfalls unterhalb des Schmelzpunktes mit Hilfe von Druck aus einem Stahlpulver einen hochwertigen Stahl erzeugt. Dieser Klumpen wird Luppe oder auch Eisenschwamm genannt. Durch das Eigengewicht ist er unten oft ziemlich Kompakt während man im oberen Bereich eine schwammartige Struktur erkennen kann, die übrig bleibt nachdem die Unreinheiten heraus geschmolzen sind. Daher auch der Name Eisenschwamm. Der gesamte Prozess läuft über einen längeren Zeitraum und kann zwischen 8h und einem Tag dauern und je nach Größe des Ofens eine Luppe zwischen wenigen Kilo und mehreren Zentnern erzeugen.

Luppe

kleines Stück einer Luppe

Bloomery Steel 2

Glühendes Stück einer Luppe vor dem Kompaktieren.

Die Luppe wurde im noch heißen Zustand aus dem Ofen heraus geholt und mithilfe eines großen Holzhammers und eines Holzblockes komprimiert um soviele der Unreinheiten wie möglich herauszuquetschen. Im Anschluss teilte man das Material, erhitzte es im Schmiedefeuer auf Schweißtemperatur, schmiedete es aus, faltete und verschweißte es. Dabei wurden die Zwischenräume im schwammartigen Material zusammengepresst und verschweisst. Außerdem entfernte man dadurch einen Teil der Unreinheiten, die im Rennofen nicht vollständig abfließen konnten und beim kompaktieren nicht entfernt werden konnten. Dies wurde zwischen fünf und zehn mal wiederholt(Je nach Ausgangsmaterial und späterem Einsatzzweck konnten es auch bis zu zwanzig mal sein) um die verbliebenen Unreinheiten so fein und gleichmässig wie möglich in dem Stahl zu verteilen und einen homogenen Stahlbarren zu erzeugen, der im Anschluss verkauft wurde. Denn kein Messer- oder Schwertschmied im Mittelalter erzeugte seinen eigenen Stahl. Diesen kaufte man wie auch heute von Händlern oder bezog ihn vom Hersteller selbst.

Steel plates 3

Kompaktierte Luppe

Cross section of compacted bloomery steel

Querschnitt einer kompaktierten Luppe (Gut sichbar sind die relativ grossen Einschlüsse von Luft oder Unreinheiten im Stahl)

Eine weitere Methode zur Herstellung von Stahl kam im Laufe des 12. Jahrhunderts auf. Aus dem Rennofen entwickelte sich der höhere Stückofen. Dieser wurde meist mit grossen von Wasserrädern angetriebenen Blasebälgen belüftet. Dadurch liessen sich höhere Temperaturen erreichen und auch Erze verwenden, die für den normalen Rennofen als schwierig zu verhütten galten. Das Ergebnis dieses Ofens war ebenfalls eine Luppe die nach dem Verhütten entnommen wurde und genau wie das Ergebnis des Rennofens weiterverarbeitet wurde. Nebeneffekt der höheren Temperaturen war allerdings auch ein zunehmend grosser Anteil an Roheisen oder Gusseisen. Dieses lässt sich aufgrund des sehr hohen Kohlenstoffgehaltes >2% nicht mehr verschmieden und wurde zunächst als wertlos und verdorben verachtet.

Gegen Ende des 13. bis Anfang des 14. Jahrhunderts wurde allerdings eine Methode entwickelt bei der Roheisen durch “Frischen” aufbereitet wurde Zu dieser Zeit begann man auch Roheisen gezielt in Hochöfen herzustellen. In Hochöfen herrschen noch höhere Temperaturen und es entsteht keine Luppe. Durch die höheren Temperaturen ist die Ausbeute an Eisen aus dem Erz wesentlich höher. Das Roheisen wurde dann in Frischfeuern verflüssigt und der Kohlenstoff verbrannte bei den hohen Temperaturen und der direkt auf das Roheisen geblasenen Luft. Mit abnehmendem Kohlenstoffgehalt verfestigte sich das Eisen bis es teigig wurde und komplett erstarrte. Nun war der Kohlenstoff ausreichend niedrig und man hatte schmiedbares Eisen erzeugt. Je nach Anforderung konnte hierbei Eisen oder auch Stahl erzeugt werden, allerdings wurde in der Regel eher Eisen hergestellt, dass später in einem dritten Schritt wieder aufgekohlt wurde. Dieses Eisen, das ebenso wie die Luppe aus dem Rennofen noch sehr unrein war(und zunächst auch Luppe genannt wurde) wurde meist zu langen Stangen ausgeschmiedet und war dann bereit für die weitere Verarbeitung. Zur Herstellung von Stahl wurden diese Eisenstangen in grossen Öfen zusammen mit viel Kohle zum Glühen gebracht, wodurch sie nach und nach Kohlenstoff aufnahmen. Anschliessend wurden die Eisenstangen miteinander verschweisst und gefaltet um den Kohlenstoff gleichmässig zu verteilen und ein gleichmässiges feines Gefüge zu erreichen.

Dieses Verfahren konnte die Erzeugung von Stahl im Rennofen jedoch nie ganz ersetzen, da durch die höheren Temperaturen und der zusätzlichen Verarbeitungsstufen ein wesentlich höherer Verbrauch an Holzkohle und Arbeitszeit vonnöten war, was den Stahl eher teurer als günstiger machte. Allerdings wurden dadurch Rohstoffe nutzbar, die sonst kaum für die Verarbeitung brauchbar waren. Bereits im Mittelalter bildeten sich daher schon beinahe industrielle Zentren der Eisenverhüttung und Weiterverarbeitung mit Hammerwerken und Eisenhämmern, die die Kraft des Wassers nutzten um Blasebälge und grosse Hämmer anzutreiben.